„Und so gefährlich?“
Er nickte. Natürlich machte
er sich Sorgen. Berechtigt. Der Kreis, den Alveradis einst öffnete, war zu eng
mit dem Keltenfürsten verknüpft, als dass ich ihm aus dem Weg gehen könnte.
Gerade als ich nach den
richtigen Worten suchte, um Daniel aus den sorgenvollen Gedanken zu reißen, sah
er mich plötzlich von unten herauf mit einem Blick an, der mir den Atem raubte.
„Was?“, flog es schon
beinahe panisch aus meinem Mund, denn eine solche Stimmungsschwankung konnte
ich ja nun gerade gar nicht einordnen … und das verschlagene Grinsen, welches
er nicht einmal wie gewöhnlich zu unterdrücken versuchte, ebenso nicht.
„Du weißt schon, dass es –
trotz all der Gefahr – wahnsinnig sexy ist, wenn du so stark und selbstbewusst
auftrittst?“
Oh, jetzt auch noch die
rauchige Stimme … „Sexy?“, fiepte ich und rückte tatsächlich ein wenig weg, als
er mir näher kam. Ich weiß selbst nicht, weshalb. Doch das hier kam so
plötzlich, dass ich mich fühlte, als würde ich gerade meinen ersten Kuss
erwarten mit einer Mischung aus Neugierde und angenehmer, prickelnder Furcht.
Ich drückte mich geradezu in die Fensterlaibung hinein, als er sich mit den
Händen neben meinem Kopf abstützte und sein Atem auf meiner Haut eine Spur wohligen
Zitterns hinterließ, während er sich wie eine Raubkatze geschmeidig über mir
bewegte, ohne mich ein einziges Mal zu berühren. „Ja, sexy“, raunte er mit
tiefer, bassiger Stimme in mein Ohr und ließ mich erschaudern. „Sexy und
herausfordernd.“
Mir wurde schwindelig von
den Gefühlen, die Daniel hervorrief. Es war anders als sonst. Kein unschuldiger
Kuss, der zu mehr führen könnte, nein, Daniels Augen blitzten wie die eines
Pumas, ehe er seine Beute erlegt. Und ich gestehe, dass ich mich in der Rolle
seiner Beute äußerst wohl fühlte. Mein Körper schien zu vibrieren und sich nach
Berührung zu sehnen, doch gleichzeitig genoss er das Fehlen derselben, weil
gerade das es war, was ihn in Vibration versetzte. Mein Atem stockte, als
Daniel sanft mit der Nasenspitze an meiner Kehle entlangfuhr und mich in so
große Spannung versetzte, dass einzig die winzige Berührung seiner Zungenspitze
an meinem Schlüsselbein ausreichte, mich geräuschvoll keuchen zu lassen.
„Ei, ei, ei, was sehe ich
da? Ein verliebtes Ehepaar!“, riefen einige Kinder kichernd, als sie auf dem
Radweg am Kloster vorbeifuhren und uns beide am Fenster sahen. Oh, ganz
ehrlich: Hätte nebenan ein Spaceshuttle gestanden, ich hätte sie samt ihren
Rädern ins All geschossen. Daniel gluckste, ließ von mir ab und setzte sich
wieder neben mich auf die Brüstung. Ich weiß nicht, wie ich geschaut habe, doch
er schüttelte grinsend den Kopf und räusperte sich. „Das war eine sehr
interessante und schöne Reaktion, Leelee.“
„Ähh … ja“, war so ziemlich
das unpassendste und unromantischste, was mir über die Lippen kommen konnte.
Doch irgendwie wollte mein Verstand sich nicht so recht einschalten. „Was … was
war das gerade?“ O.K., es ging noch unpassender.
Daniel lachte und beugte
sich kurz nach vorn, um mich zärtlich zu küssen. „Das, meine kleine Elfe, war,
was geschieht, wenn deine innere Stärke mich fast um den Verstand bringt.
Erinnerst du dich noch, als wir damals als Kinder am Fluss spielten und du
immer gewinnen wolltest?“
„Du wolltest doch auch
immer gewinnen!“, protestierte ich, denn ich konnte mich noch ziemlich genau
daran erinnern, dass er wie ich mit allen Mitteln kämpfte. Eine Begebenheit war
mir noch besonders gut in Erinnerung. „Ich hatte dich schon klatschnass gemacht
und eigentlich gewonnen!“, ließ ich Daniel an dieser Erinnerung teilhaben.
„Gewonnen, gewonnen, schon wieder gewonnen!“, sang ich damals.
„Als du endlich auch am
Ufer warst, hast du mich mit einem Blick angesehen, dass ich genau wusste, du
hattest noch etwas vor.“ Das Funkeln in seinen Augen hatte ihn damals verraten …
hmmm … es war ähnlich dem Funkeln, welches ich heute bei ihm sah … Ich
erinnerte mich daran, dass sich langsam ein teuflisches Grinsen auf seinem
Gesicht ausgebreitet hatte … ähnlich dem verschlagenen Grinsen von vorhin.
„Ich schüttelte meine
triefnassen Haare und kam mit ausgebreiteten Armen auf dich zu“, ergänzte
Daniel. Ich lächelte. Er erinnerte sich an die gleiche Begebenheit.
„Wehe!, habe ich dich
gewarnt. Aber ich wusste, dass keine Warnung der Welt dich aufhalten konnte.
Dann habe ich geschrien und versucht vor dir wegzurennen, aber du fasstest
meine Hand und hieltest mich fest. Fast wäre es dir gelungen, mich mit deinem
klatschnassen, ausgekühlten Körper zu umarmen. Aber dann kam Aleke.“
„Richtig“, pflichtete
Daniel mir bei. “Mit einer Ausnahme: Ich wollte nicht gewinnen. Ich weiß nicht,
wie ich es erklären soll, aber dich gewinnen zu sehen, deine Siegestänze und
deine Selbstsicherheit zu erleben, forderte mich immer dazu heraus, dich zu besiegen.
Oder eher: dich zu gewinnen. Als ob du der Preis wärst, verstehst du?“ Ich
nickte. Ich verstand sehr gut, was er meinte. Was damals ein Spiel zwischen uns
war – ein Spiel, welches wir alle Beide nur allzu gern wieder und wieder
spielten – war nun zu etwas anderem geworden. Es hatte sozusagen ein neues
Ventil.
„Ich habe mich aber gerade
eben nicht gefühlt wie ein Gewinn, Daniel. Eher wie Beute“, versuchte ich zu
formulieren, wie anders es im Vergleich zu damals war.
Daniel lächelte. „Beute?
Interessanter Vergleich. Aber ich glaube, das trifft es ganz gut. Vielleicht
hört sich das egoistisch oder sogar tyrannisch an, doch gerade wenn ich mir
deiner Kraft am meisten bewusst bin, fordert mich das dazu heraus, dich zu … zu
…“
Er wurde nervös, legte die
Hand in den Nacken und wich meinem Blick unruhig aus. Ich erkannte, dass es ihm
schwer fiel, die richtigen Worte zu nutzen. Verständlich, denn wenn man es so
aussprach, hörte es sich schon nach einer Art Unterdrückung an. Doch das war es
nicht. „Erlegen?“, half ich ihm ein wenig, worauf er mich erschrocken ansah.
„Ja. Schlimm?“
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